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Der Valsartan-Skandal
Als im Juli 2018 das Hochdruckmittel Valsartan praktisch von keinem Generika-Hersteller mehr geliefert werden konnte, schaffte es das Problem der Lieferengpässe für Arzneimittel auch in die Hauptnachrichten. Der chinesische Hersteller des Grundstoffes hatte durch eigene Überprüfungen eine Verunreinigung mit dem wahrscheinlich krebserregenden Stoff N-Nitrosodimethylamin festgestellt und die Produktion eingestellt. Die verbliebene von der chinesischen Produktion unabhängige Pharmafirma war schnell ausverkauft. Tausende Hochdruckpatienten mussten auf andere (verwandte) Medikamente umgestellt werden. Viele Patienten waren verunsichert, haben möglicherweise vorsichtshalber gar keine Medikamente mehr eingenommen. Ärzte und Apotheker haben ungezählte Stunden aufgewendet, um den Engpass abzufedern.
Wo liegen die Ursachen?
Lieferschwierigkeiten werden seit 2013 auf freiwilliger Basis dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) gemeldet. Auch wenn man den Valsartanskandal herausrechnet, nehmen die Engpässe in den beiden letzten Jahren
dramatisch zu. Eine Ursache wird im Konzentrationsprozess der Hersteller gesehen. Oft gibt es nur noch einen oder zwei
Betriebe, die die Arzneistoffe industriell produzieren. Wenn dort Probleme auftreten, gibt es keinen Konkurrenten mehr, der
in die Bresche springen kann. Die letzte europäische Produktionsstätte für Antiotika (Frankfurt-Höchst)
wurde vor wenigen Jahren geschlossen; die großen chinesischen Chemiefabriken liefern zu Preisen, mit denen eine
europäische Produktion nicht konkurrieren kann.
Während die Pharmaindustrie den Kostendruck durch die Regulierung der Arzneimittelpreise (v.a.durch die
Rabattverträge) anprangert, verweisen die Krankenkassen auf die Profitorientierung der Industrie. Preissteigerungen
würden ja nicht zu einer nachhaltigeren Produktion, sondern nur zu einer Steigerung der Erträge führen. So
bleibt die Politik in dieser "never ending story" aufgerufen, erneut regulierend einzugreifen, um die Versorgung der
Patienten mit essentiellen Medikamenten sicherzustellen.
Was sind nochmal Rabattverträge?
Viele Krankenversicherungen haben mit einzelnen oder mehreren Arzneimittelherstellern Verträge abgeschlossen, in denen die Hersteller Rabatte einräumen. Im Gegenzug sind die Apotheker verpflichtet, Versicherten dieser Krankenkasse stets ein rabattiertes Mittel auszuhändigen, auch wenn auf dem Rezept ein anderes Medikament steht. Voraussetzung ist, dass es ein wirkstoffgleiches Mittel gibt und dass der Arzt den Austausch nicht ausdrücklich auf dem Rezept ausgeschlossen hat.
Warum sind manche Medikamente zuzahlungsfrei?
Während das System der Rabattverträge bei Apothekern und Pharmafirmen ansetzt, versucht der Gesetzgeber hier, die Patienten selbst dazu zu bewegen, billigere (günstigere) Medikamente zu wählen: Die Krankenkassen können bestimmte Mittel von der Zuzahlung freistellen, wenn diese ein festgelegtes Preisniveau unterschreiten. Im Jahr 2019 waren mehr als 3.500 Medikamente von der Zuzahlung befreit.
Kann ich bei dem Hin und Her auf die Qualität vertrauen?
Aufgrund des strengen Prüfverfahrens kann man in der Regel davon ausgehen, dass Präparate verschiedener Firmen mit dem gleichen Wirkstoff (sogenannte Generika) eine vergleichbare „Bioverfügbarkeit“ haben. Das heißt, von 5mg Amlodipin der Firma X landet genau so viel in meinem Blutkreislauf wie von 5mg der Firma Y. Ob aber die Kinetik (Wirkdauer) und die Verträglichkeit der Tabletten vergleichbar ist, hängt auch von der Verarbeitung und den enthaltenen Hilfsstoffen ab. Es kann also durchaus sein, dass das Mittel der Firma X gut vertragen wird und gut wirkt, dasjenige der Firma Y aber zu Allergie oder Unwohlsein führt. Einfaches Beispiel: Milchzuckerhaltige Tabletten können bei Menschen mit Laktoseintoleranz zu Übelkeit führen.
Konsequenzen für die Zusammenarbeit Arzt — Patient
Die scheinbare Beliebigkeit, mit der ein verordnetes Arzneimittel ausgewählt wird, sorgt bei vielen Patienten
für Unbehagen. Sie haben sich ja nur widerstrebend und nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, eine Substanz
einzunehmen. „Wenn es hier zugeht wie im Supermarkt, nehme ich lieber gar nichts ein!“ – eine
verständliche Reaktion, aber schlecht, wenn es dadurch zu Mißtrauen und Mißverständnissen zwischen Arzt
und Patient kommt.
Machen wir das Beste daraus und sprechen miteinander. Dabei können wir mehrere Fragen klären: Ist das Medikament
wirklich erforderlich? Kann von vornherein ein rabattiertes Mittel verschrieben werden oder gibt es gute Gründe, bei
einem bestimmten Präparat zu bleiben und die „Substitution“, das heißt den Austausch durch ein anderes
Präparat, auszuschließen? Dies ist allerdings nur in Ausnahmefällen möglich, weil der verschreibende
Arzt sonst in Gefahr gerät, wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise selbst in Haftung („Regress“) genommen
zu werden.
Besteht Einigkeit darüber, welche Präparate tatsächlich eingenommen werden und in welcher Dosis? Auch der
Apotheker weiß in vielen Dingen Rat (und natürlich kennt er sich hier manchmal besser aus als der Arzt).
Lange Rede, kurzer Sinn:
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker !