Peter Stausberg   Internist         Hedda Stausberg   Ärztin für Allgemeinmedizin
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Hausarztpraxis Stausberg

Zum Umgang mit alters­verwirrten Menschen

• Anzeichen für Demenz

• Wie nimmt der Demente die Umgebung wahr?

• Wichtiges im Umgang

Verstärkte Vergesslich­keit
Schlüssel oder andere Gegen­stände werden häufiger als früher verlegt, Fragen wiederholen sich, die Haustür wird nicht verschlossen, der Herd wird angelassen.
Orientierungs­störungen
Tag, Monat und Jahr können nicht mehr benannt werden, Monate und Jahres­zeiten können nicht mehr zugeordnet werden, die Lage früher bekannter Orte wird nicht mehr gewusst, die Zuordnung von Namen zu Personen geht verloren.
Sprachstörungen
Schwierig­keiten, die richtigen Worte zu finden; zu verstehen, was gemeint ist und sich selbst verständlich zu machen. Um­schrei­bungen häufen sich.
Gefühlsstörungen
Eine leichte Euphorie, Depres­sivität und auch Aggres­sivität können auftreten. Oft werden diese Gefühle als ‚Böswillig­keit‘ oder ‚wahre Gefühle‘ verkannt.
Wahnvor­stellungen
Kranke können sich bestohlen fühlen, wenn sie vergessen, wohin sie ihre Gegen­stände gelegt haben.
Erhaltene Fassade
Die vorhandenen Fähig­keiten werden genutzt, um die Beschwerden zu über­spielen: die äußere Fassade ist sehr lange intakt.
Weitere Symptome:
Motorische Unruhe, Umher­laufen, Halluzina­tionen, Unsicher­heit, Interesse­losigkeit, fehlende Organisa­tion von Körper­pflege und Kleidung, Blasen- und Darm­entleerungs­störungen, Persön­lichkeits­verände­rungen; Appetit­losigkeit (Ess­störungen), Schlaf­störungen (Tag-/Nacht­ryhthmus)


Abendstimmung Aus dem Bericht der Sach­verständigen­kommission zum 4.Alten­bericht der Bundes­regierung 2002¹:


Während die Umgebung das ‚Funktio­nieren‘ Gesunder nur gering­fügig beein­flusst, spielt sie für einen schwer Demenz­kranken eine ent­scheiden­de Rolle. Die Kranken verlieren die Fähig­keit, Signale des Körpers (Hunger, Durst, Sättigungs­gefühl, volle Blase, Über­wärmung, Schmerz usw.) wahrzu­nehmen und ent­sprechend zu handeln. Sie verstehen die Zusammen­hänge zwischen den äußeren Einfluss­faktoren und physio­logischen sowie psychischen Reaktionen nicht (z. B. Dunkel­heit und Angst, Gestank und Aggres­sivität, Hitze und Müdig­keit usw.) und werden leicht über­fordert bzw. gefährden sich durch Fehl­handlungen. Zum Über­leben brauchen sie eine ‚prothe­tische‘ materielle und soziale Umgebung, die sich den Fähig­keiten und Defiziten der Kranken anpasst, sie fördert, ohne zu über­fordern und ihnen ein weit­gehend stress­freies Leben mit viel Bewegungs­freiheit sowie – aus der Sicht des Betroffenen – sinn­volle Aktivi­täten ermöglicht.

Während die materielle Umgebung über­wiegend einen äußeren Rahmen zur Befriedi­gung physio­logischer Bedürf­nisse bietet, ist die soziale Umwelt für eine gelingende Betreuung Demenz­kranker ent­scheidend. Zu den ältesten Regungen des Menschen gehört die Angst, wobei das Gefühl, die Ver­bindung zur Gruppe bzw. zur Gemein­schaft zu ver­lieren, eine vitale Bedrohung dar­stellt. Viele Demenz­kranke, die keine Gesichter und Räume mehr erkennen und die Sprache nicht mehr verstehen können, werden mit dieser Angst kon­frontiert. Sie glauben, ausge­stoßen oder verloren zu sein, und suchen ver­zweifelt Menschen, die ihnen bekannt vorkommen und Ver­ständnis entgegenbringen.

Die soziale Umgebung soll helfen, das Bedürf­niss der Kranken nach Sicher­heit zu befrie­digen durch die An­wesen­heit ruhiger, kompe­tenter Personen und eine zu­ver­lässige Tages- und Lebens­ordnung. Die pflege­rische Ver­sorgung Demenz­kranker wird erheblich durch die Ab­weichungen zwischen der Selbst­wahr­nehmung der Be­trof­fenen und ihren tat­sächlichen Fähig­keiten, sowie durch eine zu­nehmende Apraxie mit Unver­ständnis für die Absichten und Handlungen Anderer verbunden. Sprache als Informations­träger wirkt hier eher ver­wirrend, da bei den Kranken die Begriffe keine Vor­stel­lungen von ent­sprechenden Tätig­keiten indu­zieren und sie oft am Ende eines Satzes ver­gessen, was am Anfang gesagt wurde. Sie brauchen eine bild­hafte Dar­stel­lung der Tätig­keit, durch Körper­sprache oder Be­obach­tung, und Hilfe in Form eines ‚Nach­ahmungs­modells‘

Abendstimmung

Gespräche dienen weniger der In­for­mations­über­mittlung, sondern stärken das Zu­sammen­ge­hörig­keits­gefühl. Wichtiger als der Inhalt sind die Art, die Ge­fühls­betonung und die be­gleiten­de Körper­sprache sowie die Fähig­keit dem Kranken zu signali­sieren, dass er ver­standen wurde. Es kommt auch darauf an, für den Demenz­kranken ver­ständ­lich zu sein. Besonders hilf­reich für den Umgang mit Demenz­kranken sind genaue Kennt­nisse seiner Lebens­ge­schichte. Sie helfen auch, die durch Demenz­symptome zu­ge­schüttete Per­sönlich­keit des Kranken, seine Identi­tät zu erkennen und ihn als ein Indi­viduum zu be­handeln. Einfühl­same Sprache verbunden mit körper­lichem Kontakt und Bewegung hilft auch im Umgang mit ausge­prägten Verhaltens­störungen.

Die Demenz­kranken unter sich sind eher imstande, ‚normale‘, entspannte Gespräche zu führen, weil sie der Melodie der Sprache und dem Klang der Worte folgen, zu Klang­assozia­tionen neigen, instinktiv ähnlich antworten und sich während des Gesprächs richtig verhalten. Das Lächeln und Lachen spielen für den Gruppen­zusammen­halt eine besondere Rolle. Sie haben ent­spannende, ent­waffnende Funktion, erzeugen das Gefühl der Ge­borgen­heit und Sicher­heit (Eibl-Eibesfeldt 1982) und ge­hören zu den wichtigsten thera­peutischen Mitteln im Umgang mit Demenz­kranken. Auf Verbote, direkte Auf­forderun­gen oder Befehle reagieren die Kranken mit Wider­stand und Aggres­sivi­tät. Ein ‚Nein!‘ als Antwort auf eine zu­fällige Frage ist doppelt so häufig wie ein ‚Ja!‘, was auf eine miss­trauische Grund­haltung hinweist. Wahr­scheinlich gewinnen für die Kranken bestimmte Inhalte des Lang­zeit­gedächt­nisses Realitäts­charakter und ver­drängen die objektive Realität. Die Kranken leben mit den Er­innerungs­bildern einer bestimmten Lebens­periode und verhalten sich entsprechend.

Alle Versuche, sie aus ihrer Welt in unsere Realität zu über­führen, sei es mit­hilfe des Realitäts-Orien­tierungs-Trainings oder logischer Er­klärungen, führen zu einer Verun­sicherung der Be­trof­fenen und zu aggres­siven Re­ak­tionen. Viel sinnvoller ist eine Beglei­tung der Demenz­kranken auf den Wegen ihrer Vor­stel­lungen. Die Betreu­enden tauchen in die jeweilige Welt des Kranken ein und versuchen, sich in ihr adäquat zu verhalten. Die Defizite, Fehl­handlungen, Wieder­holungen oder Be­schul­di­gungen seitens der Kranken werden nicht kom­men­tiert bzw. zurück­gewiesen. Die Be­treuenden ‚über­sehen‘ sie oder nehmen Schuld auf sich und bitten den Be­trof­fenen um Unter­stützung bei der Problem­lösung.

¹Deutscher Bundestag Drucksache 14/8822, 14. Wahlperiode 18.04.2002, Unterrichtung durch die Bundesregierung: ›Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundes­republik Deutschland: Risiken, Lebens­qualität und Versorgung Hoch­altriger – unter besonderer Berück­sichtigung demenzieller Erkrankungen und Stellung­nahme der Bundesregierung‹ : S.173 f