Die Zuckerkrankheit
• Typ-1 oder Typ-2 ? Diabetes boomt !
• Neue Behandlungsmethoden machen das Leben leichter.
Oft wird die Zuckerkrankheit noch eingeteilt in den
‚wahren‘ Diabetes einerseits und den
harmloseren ‚Alterszucker‘
andererseits. Der eigentliche Diabetiker ist dann der
jüngere Mensch, den das Schicksal mit einer schweren
Krankheit geschlagen hat, der Insulin spritzen muss und
dessen Lebenserwartung verkürzt ist. Alterszucker
haben viele; das kann man mal haben; und wenn es so viele
Menschen haben, wird es wohl nicht so schlimm sein. Man denkt
eigentlich nur daran, wenn es sein muss, z.B. beim
Arztbesuch! Oder beim Kaffee, wenn das schlechte Gewissen
einen flüchtigen Schatten auf die Kuchenplatte
wirft.
Dabei stimmt die Alterseinteilung nicht mehr. Immer
häufiger werden Menschen in den besten Jahren um die 40 mit
der Diagnose Diabetes konfrontiert. Schon bei stark
übergewichtigen Jugendlichen findet man eine
Stoffwechselsituation, die diese Entwicklung
ankündigt; und vereinzelt wird bei ihnen schon
‚Alterszucker‘ festgestellt.
Typ-2-Diabetes hat also etwas mit Übergewicht und
Bewegungsmangel zu tun. Dazu kann eine erbliche
Veranlagung kommen. Die Krankheit wird umso früher
sichtbar, je stärker diese beiden Faktoren
ausgeprägt sind. Die Körperzellen verlieren
die Fähigkeit, Traubenzucker aufzunehmen und
wirksam in Energie umzusetzen; verlangen immer mehr Insulin.
Diesen erhöhten Hormonbedarf kann die kleine
Bauchspeicheldrüse –das Pankreas–
irgendwann nicht mehr decken. Der Zuckerspiegel im Blut
steigt; vor allem Muskulatur und Gehirn leiden an
Brennstoffmangel.
Beim Typ-1-Diabetes verliert dagegen die
Bauchspeicheldrüse die Fähigkeit,
Insulin bereitzustellen. Die Betroffenen
– v.a.Jugendliche, aber auch Kinder und Menschen
in den 30ern – sind dünn, verlieren Gewicht und
können ohne Behandlung rasch in eine kritische Situation
geraten.
Während ihre Anzahl bei etwa 300.000 Menschen in
Deutschland liegt, steigt die Zahl der Typ-2-Diabetiker
stark an. Ihre Zahl liegt bei etwa 7 Millionen, davon wissen ca.
2 Millionen noch nichts von ihrer Erkrankung. Jeden Tag gibt
es fast 500 Neuerkrankungen. Von einem weiteren Zuwachs
ist auszugehen.
Warum reden alle vom Diabetes? Einmal provokativ gefragt:
Warum lassen Ärzte, Politiker und andere Interessierte
den armen Diabetiker, der kaum Beschwerden hat, nicht
einfach mal in Ruhe? Warum traktieren sie ihn mit
Diäten, Medikamenten und
Behandlungsprogrammen?
Obwohl die Erkrankung anfangs nur geringe Beschwerden
verursacht, sind die Spätfolgen dramatisch. Alle
Gefäße des Körpers werden angegriffen, von
den feinsten Äderchen im Auge bis zu den großen
Schlagadern. Auch die diabetischen
Nervenschäden – meist das erste Anzeichen
einer fortgeschrittenen Erkrankung mit Taubheit
und Mißempfindungen in den
Füßen – sind letztlich Folge einer
Durchblutungsstörung der diese Nerven
ernährenden Haargefäße. Auf der
Katastrophenliste der Spätschäden stehen
Herzinfarkt, Schlaganfall, Augenschäden bis
hin zur Erblindung, Nierenschäden bis zum
Organversagen und chronische Wunden bis zum Verlust von
Gliedmaßen.
Sind Sie noch da? Entschuldigen Sie bitte diese wilde
Aufzählung. Natürlich wird nicht jeder
Diabetiker eine solche Katastrophe erleben, aber zweifellos
ist das Risiko dafür drastisch erhöht, wenn die
Erkrankung voranschreitet. Auch der Hausarzt lernt
erst mit der Zeit, diese Aussichten richtig ernst zu nehmen,
ist doch die Versuchung groß, den Patienten (und sich
selber) zu schonen und das Gespräch nicht durch
häßliche Drohungen zu belasten.
Mit den Jahren wird es dann aber immer wieder ernst und Patienten
werden durch Infarkt oder Schlaganfall aus dem aktiven Leben
gerissen. Es geht ja nicht darum, um jeden Preis länger
zu leben, sondern darum, Jahre mit guter Lebensqualität
zu gewinnen.
Dafür können wir etwas tun.
Wir wissen doch, dass eine gute
Stoffwechseleinstellung, gesunde
Ernährung, Gewichtsnormalisierung und eine
aktive Lebensweise die Spätschäden des Diabetes
hinausschieben können.
Warum nicht?
Neue Behandlungsmethoden machen das Leben leichter.
Ist die Insulinspritze der Anfang vom Ende? ‚Einmal
an der Spritze, immer an der Spritze?‘
Wahr ist, dass die Behandlung mit der Insulinspritze
nicht an der Ursache des Typ-2-Diabetes angreift. Die
Unempfindlichkeit der Gewebe für das
Hormon wird nicht gebessert und möglicherweise wird das
Überangebot an Insulin, mit dem der Körper in
einer frühen Krankheitsphase diese
Unempfindlichkeit auszugleichen sucht, noch
verschlimmert. Ein hoher Insulinspiegel führt aber
zu (weiterer) Gewichtszunahme oder erschwert mindestens die
Bemühungen, abzunehmen.
In den letzten 15 Jahren haben neue Medikamente und
Behandlungsmethoden dazu geführt, dass viele
Diabetiker erst später oder gar nicht mit Insulin behandelt
werden müssen. 2006 wurden die sogenannten
Inkretinmimetika und 2007 die DDP4-Hemmer
zugelassen. Das sind Medikamente, die die
Wirkung eines Dünndarmhormons
verstärken, das natürlicherweise nach
einer Mahlzeit freigesetzt wird und die
Insulinproduktion stimuliert. 2012 kamen die
sogenannten SGLT-2-Hemmer dazu, die
überschüssigen Zucker mit dem Harn ausscheiden.
Allen diesen Medikamenten ist gemeinsam, dass sie eher zu
einer Gewichtsabnahme führen. Allerdings: Wenn
Übergewicht die Hauptursache für
überhöhte Blutzuckerwerte ist, dann sind
Tabletten und Insulin die zweite Wahl. Dagegen ist der Effekt
einer Lebensstiländerung mit
Gewichtsnormalisierung und regelmäßiger
körperlicher Aktivität dramatisch; er
übertrifft den aller anderen Maßnahmen und
führt oft alleine zur
Stoffwechselnormalisierung.
Wahr ist aber auch, dass sich der Diabetes nicht aushungern
lässt. Er lässt sich zwar um viele Jahre
hinausschieben, aber letzlich wird der Insulinspiegel
absinken und der Behandlungsbedarf steigen. Oder aber
es gelingt einfach nicht, das Übergewicht
abzubauen. Das ist auch keine Schande; ehrlich gesagt ist es
s..schwer; und die Natur hat uns einige Hindernissse in den
Weg gelegt, wenn wir versuchen wollen, den
Energievorrat, den sie für Notzeiten
angesammelt hat, abzubauen.